Donnerstag, August 17, 2006

Eine Analogie: Gott ist eine Kopfschmerztablette

Tatsächlich ist dies eine treffliche Analogie.
Man bedient sich beider, um Beschwerden meist unklarer, häufig diffuser Herkunft, loszuwerden oder zu lindern, die sich aber klar benennen lassen, Kopfschmerz hier, allgemeiner ’horror vacui’ da.
Die Wirkmechanismen sind alles andere als aufgeklärt. Die, die etwas besser bescheid wissen, sprechen einerseits von irreversibler Cyclooxygenase-2-Inhibition und von Angst- und Daseinsbewältigung, von Gewissenssedierung andererseits. Zugegeben, gegen richtig schlimme Beschwerden (Tumorschmerz oder schwere Lebenskrise) helfen diese Mittel in der Regel wenig und in solchen Situationen erscheint es ratsam, durch kausale Therapie die Ursachen der Malaisen anzugehen, statt zu versuchen, die Symptome zu betäuben – glücklicherweise kommen die meisten von alleine auf diese Idee!
Aber auch bei der Motivation (hier: Tradition), diese Mittel einzusetzen setzt sich die Analogie fort: „Wenn Du Kopfschmerzen hast, nimm Aspirin!“ sagt(e) man uns. Genau so wird vielen von den Erziehungsbeauftragten, neben Dingen wie „Man spricht nicht mit vollem Mund!“ und „Nach dem Zähneputzen nichts Süßes mehr!“ eingetrichtert, die Gotthypothese anzunehmen, zwar nicht mit den Worten „Wenn Du Lebensschmerzen hast, nimm Gott“, doch so ähnlich. Begründet wird das nicht, weil man ja nur auf tradiertem Wege tradiertes weitergibt.
Den Beipackzettel zu Gott nennt man übrigens „Bibel“. Oberflächlich steht da bloß drin, was Gott so alles bewirken kann und wie gut er wirkt. Wenn man aber den Abschnitt, der den „Nebenwirkungen“ entspricht, mal genauer betrachtet, werden einem auch eine ganze Menge Probleme und Gefahren, die von Gott ausgehen, offenbart (interessanterweise schweigt sich der ansonsten überaus ausführliche Beipackzettel über Hersteller und Bestandteile hartnäckig aus).
Das bringt uns zum nächsten Punkt: den aus Arzneimittelwerbungen hinlänglich bekannten, weil zur Nachfrage anempfohlenen Ärzten und Apothekern, die einem ja letztlich nur bei der Verabreichung und beim Zugang zur Arznei zur Hand gehen (und dafür kassieren): Der Klerus ist nichts anders als eine verschworene Gemeinschaft von Dealern, die Gott unters Volk bringen sollen. Früher zahlte man in bar (Ablaß) heute per Bankeinzug (Kirchensteuer), sonst hat sich aber nicht so viel verändert. Fragt man einen von denen, hört man, wie toll Gott wirkt, daß die Nebenwirkungen nahezu vernachlässigbar sind und wozu Gott noch alles benutzt werden kann. Was man bekäme, früge man, ob es Gott auch von ratiopharm gebe, weiß ich nicht. Vielleicht Gott Reloaded (vulgo: Jesus; pervulgo: Latten-J.)? Ist Jesus Gott von ratiopharm?
Ich muß aber einräumen, daß es einen kleinen Fleck auf meiner Analogie gibt: die Inkonsequenz der Anwender. Welches Produkt würde man wohl kaufen und benutzen: das, für dessen Wirksamkeit und Unbedenklichkeit es ca. 15 kbm Studiendaten und wissenschaftliche Beweise von allen Erdteilen gibt oder das, welches von bestenfalls windigen Händlern feilgeboten wird, mit dem Slogan „Wir glauben schon, daß es wirkt!“ ohne, daß es eine Garantie oder Absicherung oder auch nur die geringste Spur eines empirischen Beweises für seine Wirkung geben würde? Tatsächlich finden aber beide Produkte ansehnlichen Absatz. Wie ist das bloß zu erklären? Am ehesten wohl, wenn man annimmt, daß Gott ein Placebo ist.

Eines noch: wenn ich die Kirche Inc. wäre, würde ich mal das Logo von Gott ändern, denn das steht auch immer neben den Namen von Verstorbenen.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

dieser Text ist erstklassiges Kabarett. Das sollten viele lesen!!!
Hoch originell und von feinster Sprachmächtigkeit.
BC