Montag, Oktober 08, 2007

Zur Hölle mit den Menschenrechten!

Ich habe einen herrlichen Artikel in den "Kath.net - katholischen Nachrichten" gefunden, der ganz genau zeigt, wes Geistes Kind diese Leute sind.
Überschrieben mit einem dramatisch-defätistischen "Die Guillotine beginnt schon zu fallen" ist der ganze Sermon eine weinerliche Klage darüber, daß der Europarat deutlich und unmißverständlich und vor allem mit der nötigen Autorität die Menschenrechte zu absoluten und unverhandelbaren Werten erklärt. Eine Klage? Wie man denn bitte die "Heiligung" und Unbedingbarkeit der Menschenrechte beklagen könne, fragen Sie sich? Nun, dem gläubigen Christen scheint dies weder ein großer Angang noch in Widerspruch mit der ihm eingetrichterten Doktrin zu sein, was freilich tiefst blicken läßt. So heißt es dort wehevoll:
Mit der Verurteilung des Kreationismus und zusammen mit der Entschließung vom 29. Juni dieses Jahres über „Staat, Religion, Säkularität und Menschenrechte“ schwingt sich der Europarat immer mehr zur einzig gültigen moralischen Instanz Groß- Europas auf.
Das Dogma heißt jetzt Menschenrechte. Die Menschenrechte sind das Maß aller Dinge. Alle haben sich danach zu richten. Die Staaten müssen mit allen Mitteln dafür Sorge tragen, dass alle am öffentlichen Meinungsbildungsprozess beteiligten Gruppen sich an die Menschenrechte halten. Wenn das irgendjemand nicht tut, muss dieser zu Recht gewiesen werden.
"Das Dogma heißt jetzt Menschenrechte!" Dieser Satz und der ganze folgende Absatz klingt nicht nur wie ein empörter Vorwurf, er ist es auch. Das Primat und die Unbedingbarkeit der Menschenrechte wird von diesem christlichen Schreiberling wirklich und wahrhaftig beklagt!
Es geht weiter; er zitiert wieder den Europarat:

„Die religiöse Freiheit ist durch die europäische Konvention der Menschenrechte geschützt.“ Aber die religiöse Freiheit ist nicht unbeschränkt, „denn religiöse Grundsätze, die in der Praxis eine Verletzung der Menschenrechte implizieren, sind inakzeptabel.“

und konstatiert spitz:

Es gibt also für unsere so tolerante und liberale Gesellschaft religiöse Grundsätze, die inakzeptabel sind.

Ja, in der Tat, die gibt es! Und zwar alle, die mit Diskriminierung, Ungleichberechtigung und -behandlung, Überlegenheitsideologie, Bevormundung im Bereich der Persönlichkeit und sexuellen Orientierung, Folter, Mord, Ketzterprozessen, Scheiterhaufen, "entarteter Kunst" und sonstigen Religionsklassikern zu tun haben. Mal abgesehen davon, daß unser kleiner Eiferer mit Sicherheit an vorderster Front steht, solange es um die Einschränkung von Grundsätzen anderer Religionen als der seinen geht. Aber gut, Inkonsequenz und Bigotterei sind ja ebenfalls Religionsklassiker...
Was ich so bizarr finde, ist der Versuch des Autors, die Menschenrechte zu, ja, personifizieren, zu einer Art Götzen zu verzerren, der den "Platz, den Gott in der katholischen Gesellschaft des Mittelalters einnahm" besetzt. Ich weiß nicht, ob ihm bewußt ist, daß durch diese Darstellung die religiösen Werte und die Menschenrechte als unvereinbare Antipoden ohne Schnittmenge erscheinen und ob, falls es ihm bewußt ist, er dies aus echter Überzeugung vertritt, was ich fast noch gruseliger fände. Aber es muß wohl so sein, denn mit Geifer vor dem Maul zögert er im weiteren nicht, das Recht auf freie - und das bedeutet nicht durch "gewisse Dogmen oder Überzeugungen der einen oder anderen religiösen Gemeinschaft", die im Zweifel für den sich Äußernden völlig gegenstandslos sind, eingeengte - Meinungsäußerung zu einem "Recht auf Blasphemie" zu erniedrigen, als wäre es für einen Atheisten nicht ebenso ein Affront, das ewige und durch das gleiche Recht geschützte gesalbte Geschwafel von Bischof und Co. in Funk, Presse etc. ertragen zu müssen.
Er fährt fort, zu beklagen, daß der Europarat auch auf Nationenebene endlich und um Jahrzehnte verspätet, wichtige Schritte zur symbolischen aber auch faktischen Säkularisierung und Trennung von Kirche und Staat unternehmen will.
Folgenden Passus fand ich wieder entlarvend schön:
Über die Fragen, die von den humanistischen Strömungen zu Unrecht als rein weltlich betrachtet werden (wie Abtreibung, Euthanasie, Heirat Homosexueller) können sich die religiösen Autoritäten dann mit einer Handvoll Getreuer in der Ecke der Sakristei unterhalten.
So isset, würde ich mal sagen und ärgere mich doch, mit welcher Selbstverständlichkeit er den drei Themen Abtreibung, Euthanasie und Homoehe einen religiösen Bezug aufzwängen will. Ein Mensch mit Krebs im Endstadium möchte sterben. Wer hat das Recht, ihm diesen Wunsch zu verweigern und gar aus religiösen Gründen?!?! Niemand! Und es ist völlig gleichgültig, ob sich der Kranke Christ oder Atheist nennt. Religionen und ihre Betreiber (böse, alte, geschlechtslose Männer) haben nichts in/an den Unterleiben und Schlafzimmern irgendeines Menschen zu bestimmen. PUNKTUM!

Es folgt eine weinerliche Aufzählung von verbrecherischen Geistlichen, die doch tatsächlich von weltlichen Instanzen belangt wurden, wegen solcher Kleinigkeiten wie "Homophobie", "Einmischung von Angehörigen religiöser Gemeinschaften ins politische Leben" sowie der Beeinflussung von medizinischem Personal bei gesetzmäßigen Eingriffen, einer Ungeheuerlichkeit, der er natürlich den vom Ratzepoop geprägten Stempel "Diktatur des Relativismus" aufdrückt, einer
Diktatur, die den Menschenrechten und der Demokratie den Vorrang über jedes religiöse Prinzip einräumt.
Ja, wahrhaftig, diese Diktatur ist die Geissel der Menschheit! Demokratie und Menschenrechte hat wahrlich der Teufel ersonnen! Im deutschen Sprachschatz fehlen die Begriffe Demokratiejoch und Menschenrechtsterror und ganze Staaten Europas winden sich unter diesen Foltern und wünschen nichts sehnlicher, als, wie damals der Maure, mit Feuer, Schwert und Kreuz von der säkularen Umnachtung dieser satanischen Errungenschaften befreit zu werden, nicht wahr? (Bei Polen könnte das sogar stimmen...)
Dies alles wurde diskutiert und angenommen ausgerechnet am Fest der Heiligen Peter und Paul, der zwei Apostel, die ihr Blut vergossen haben, um Zeugnis für Christus zu gebennd sich geweigert haben, das Knie vor einem Herrscher zu beugen, der als göttlich betrachtet wurde, genau wie heute der moderne Staat.
Mensch, Europarat! Das ist aber auch nicht feinfühlig von Dir! Ausgerechnet an Peter und Paul! Hättest Du für solche Diskussionen nicht einen Tag für einen anderen von den zigtausend Heiligen wählen können, vielleicht St. Demokratius, dem Schutzheiligen für Menschenrechte? Ach, den gibt es gar nicht? Zu dumm...

8 Kommentare:

Called Hero hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
Called Hero hat gesagt…

Abgesehen davon, dass Du als Vorbildatheist mal wieder alle Christen über einen Kamm scherst (es gibt ja schon einen kleinen Unterschied zwischen gemäßigten Christen und fundamentalistischen Extremisten - und allem was dazwischen liegt) ein wirklich gelungener Artikel, der wieder ein mal mehr zeigt, dass man höllisch - im wahrsten Sinne des Wortes - aufpassen muss wenn man versucht die freien und demokratischen Werte des Westens mit einer durch die christliche Religion geprägten Kultur und Wertegesellschaft gegenüber Glaubensfundamentalisten wie den Jalla-Jalla-Jihad "Bumm" schreienden Unterdrückerlappenbefürwortern zu verteidigen.
Also sei wachsam Staate Deutschland, es gibt noch mehr gefährliche Agitaten als nur die Muselmanen (von denen die Mehrzahl, so sie denn den Islam als Religion und nicht als Kultur in Deutschland leben eigentlich friedfertig und umgänglich sind) - manche von ihnen sind unser Nachbar und scheinen auf den ersten Blick genau die Werte zu sein die wir so versessen - und mit gutem Recht - verteidigen... scheinbar...

Anonym hat gesagt…

Etwas anderes Thema aber: Bei der Eröffnung des neuen Herzzentrums in Köln wird selbstverständlich auch unser lieber Freund Kardinal Meisner (der Arsch) anwesend sein und das Gebäude segnen! Warum zum Teufel?! Glauben die Leute wirklich, dass dann weniger Leute da drin sterben, weil der liebe Gott seine Hand ganz besonders oft drüber hält? Oder gehen zumindest weniger Gerätschaften kaputt? Mal ehrlich: Ich will ein Krankenhaus, bei dem die Ärzte sich mit den neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen auskennen, aber zu sagen "Ach, der Meisner hat doch einen guten Draht zu dem da oben, da wird schon alles gut gehen"... Und das an einer UNI-Klinik!

Corn hat gesagt…

und da man sich nie sicher sein kann, ob de leeven Jott die Katholen oder Evangelen besser findet, kommt sicherheitshalber auch noch der entsprechende Evangelen-Chefhonk und segnet den Laden ebenfalls.
Ich hoffe, man ist dort konsequent und läßt auch noch den Obermufti, einen Rabbi, einen Animistenschamenen, einen Scientologen, einen Zeugen der Doofheit, einen Hindumönch und einen luschtigen dicken Buddhisten ihren Beitrag leisten. Es ist unglaublich!

Anonym hat gesagt…

Die Frage ist doch, warum sollen die Menschenrechte, die in unserem Kulturkreis aus unserer Geschichte erwachsen sind, der Weisheit letzter Schluss sein? Sicherlich bin ich ein grosser Freund der Menschenrechte, aber ich führe beispielsweise Asien an, wo schon grundlegend ein gänzlich anderes, viel weniger individuelles, Menschenbild herrscht. Nur in unserem, durch die hellenistische Kultur und den geschichtlichen Träger "Christentum" geprägten Menschenbild ist ein so starker Schutz des Individuums gegenüber der Gemeinschaft verankert. Das zur allgemeingültigen Weisheit zu verkünden, ist dasselbe, wie widerspruchslos an die Bibel zu glauben. Was du ja immer kritisierst...

MfG, Jerry

P.S.: Unabhängig davon bin ich immer noch ein Befürworter von Trennung von Staat und Kirche. Aber das brauche ich ja wohl nicht zu sagen, ne?

Corn hat gesagt…

"warum sollen die Menschenrechte, [...] der Weisheit letzter Schluss sein?"
Gegenfrage: warum denn, bei allem was recht ist, nicht?!?
Würden alle Menschen in den Genuss dieser Menschenrechte kommen, gäbe es keine Mißstände mehr!! Von den Kirchen bedauert und verteufelt zählen für rational denkende Menschen aber eben auch Schwarze, Arme, Frauen und Homos zu vollwertigen Menschen, wodurch ich mir den Widerwillen von dieser Seite, gegen die Menschenrechte erkläre.
Und Du willst mir doch jetzt nicht allen Ernstes Asien, z.B. China als Alternativmodell vorhalten, oder? Wenn Du einen unterdrückten chinesischen Bauern fragst, ob er gerne in den Genuss der Menschenrechte käme, was glaubst Du, was er antworten würde? Und ist Dir mal aufgefallen, daß all die Diktatoren, Juntas und Parteibonzen sich selber sehr wohl in den Genuß dieser Rechte bzw. deren Wirkung gebracht haben?

Anonym hat gesagt…

Zuerst zu Asien: Du liegst da dem typisch westlichen Fehlschluss auf. Soweit ich mir von Sinologen und Japanologen habe sagen lassen, so in dem zugrunde liegenden Menschenbild kein Dissens zwischen "Reisbauer" und "Juntaboss" zu erkennen. Insbesondere, weil das da schon seit langer Zeit so gehandhabt wird.

Warum die Menschenrechte nicht überall gelten müssen? Weil sie eine moralische Grundlage für die sogenannte "Erste Welt" sind, die ansonsten keine einheitliche Moral kennt. Aber die Moralvorstellungen, die für die "Erste Welt" wichtig sind, müssen ja für die restlichen Milliarden an Menschen nicht unbedingt die Wichtigen sein. Interessant fände ich, was dort an Moralvorstellungen erwachsen würde, würde man da nicht immer mit dem Hammer "Menschenrechte" kommen!

MfG, Jerry

Corn hat gesagt…

der Terminus "typisch westlicher Fehlschluß" entstammt meiner Meinung nach genau der gleichen Propagandaidee, wie die Frauenfeindlichkeit der islamischen Länder. Da "wollen" die Frauen auch ganz "freiwillig" Burka tragen und wie Tiere leben, keine Frage. Aber im Ernst: das ist reiner, bitterster Zynismus und der steht gerade Leuten, die pro Religion (die angeblich mit Nächstenliebe, Rücksicht etc. assoziiert sein will) sind, ganz, ganz schlecht zu Gesicht. Genaugenommen wünsche ich mir sogar, daß die Religiösen endlich mal ehrlich sind und offiziell die Abschaffung der Menschenrechte in ihr "Programm" aufnehmen und fordern, denn dann werden diese ganzen Vereine wegen Verfassungsfeindlichkeit dicht gemacht!
Zurück zur Sache: Nur weil zahlreiche Bedauernswerte seit Generationen die Menschenrechte, die Rechte eines jeden Menschen sein sollten, vorenthalten bekommen und sich mangels Kenntnis und Erlebens der Alternative und undank ubiquitärer Unterordnungs- und Entindividualisierungspropaganda (war bei den Nazis auch sehr beliebt) in ihr Schicksal fügen, ist das doch keine Rechtfertigung dafür, die absolute Notwendigkeit und Unanfechtbarkeit der Menschenrechte in Frage zu stellen!!!!!!

Und auch das Wort "Hammer" ist in dem Zusammenhang ein äußerst unglückliches: Die Menschenrechte sind keine Waffe und haben nichts bedrohliches, außer für Tyrannen, Despoten und Menschenverächter, denen durch diese Rechte die absolute Kontrolle über ihre Untertanen genommen wird.

Und zum Moralthema: die vom Tenor der Menschenrechte abweichende "Moral"kann einzig und allein religiöser Natur sein (schlimm genug). Aber die Religiösen sind in der Nachweispflicht: sie postulieren die absurde Hypothese einer übergeordneten Macht, aus deren angenommener Existenz sie 1.) das Recht und die Fähigkeit deren Willen (der ebenfalls postuliert wird) zu interpretieren und 2.) das Recht, aufgrund 1.) Menschen zu töten, zu unterdrücken und sie ihrer illusorischen Doktrin unterzuordnen, ableiten. Bis ein solcher Nachweis erbracht wird (und der Wärmetod des Universums dürfte ein paar Wochen vorher stattfinden), müssen für jeden Menschen die gleichen, unveränderlichen und unverletztlichen Rechte gelten.

Und nun noch eine (hoffentlich rhetorische) Frage:
Kennst Du allen Ernstes eine bessere Alternative, die durch "den Hammer Menschenrechte" *grusel* zerstört werden könnte?!?!