Donnerstag, Dezember 14, 2006

Ich will hier weg!

Ich verstehe dieses Land nicht und erst recht nicht seine Politiker. Wir leben in einer paradoxen Bizarrwelt wo jeden Tag neue Irrsinnigkeiten ausgebrütet werden, die jedem Normalen und vor allem Aussenstehenden wie die Schalkereien von Geisteskranken anmuten müssen.
So werden hier, immer im "Interesse und zum Wohle des Bürgers" natürlich, die Raucher und ihr putziges kleines Lasterchen wie eine vom Aussterben bedrohte Spezies geschützt, man bietet ihnen hier gegen das kalte, rauchfreie Europa ein letztes Refugium, wo sie noch menschenwürdig und aufrichtig sich und andere vergiften und krankmachen dürfen.

Im gleichen Land aber, das sich offiziell säkularisiert nennt, verkrüppelt man die wissenschaftliche Freiheit bei der Stammzellforschung wie in kaum einem anderen Land. Überall auf der Welt wird mit diesen Zellen gearbeitet und daran geforscht, man verspricht sich Bahnbrechendes, doch der Rückstand von Deutschland beträgt sicher bereits 10-20 Jahre und ein Aufholen dieser Lücke scheint in weite Ferne gerückt. Man geht sogar soweit, daß man deutsche Forscher, die im Ausland nach dortigem Landesgesetz völlig legale Forschungsprojekte durchführen, in Deutschland wie Verbrecher behandelt und sogar mit Gefängnisstrafe bedroht, was dazu führt, daß auch im Ausland forschende Deutsche an solche Projekte nicht herangelassen werden, aus Sorge, sie könnten in ihrem wissenschaftsfeindlichen, scheinheiligen und heuchlerischen Lobbybuckler-Heimatland D bei Rückkehr eingekerkert werden. Das muß man sich mal vorstellen!
Unlängst versetzte nun auch das Deutsche Patentgericht, ausgerechnet auf Betreiben der Öko-Geiferer und Fortschrittsfeinde von Greenpeace, dem Forschungsgebiet einen weiteren schweren Schlag, indem es dem Bonner Stammzellforscher Oliver Brüstle, der sich vor fehlgeleiteten Öko-Fanatikern mit Leibwächtern schützen muß, ein Patent auf aus menschlichen Embryonen gewonnene Stammzellininen entzog. Dieses Urteil wurde im Zuge des Aufrufs der DFG, doch endlich die Restriktionen in der Stammzellforschung zu lockern, angestrengt und erfolgte prompt.
Diese Entwicklung wird international mit Besorgnis und Kopfschütteln registriert, man versteht nicht, warum Deutschland hier seine Kapazitäten so schändlich versanden läßt und seine Forscher als Verbrecher darstellt und so übel behandelt, daß diese nur Reißaus nehmen können.
So heißt es dazu in nature (Ausgabe 444, 2006):
A German court has revoked a patent on a method for generating a class of human embryonic stem cells. The 5 December ruling is seen as yet another setback for stem-cell research in a nation where it is already constrained by tight regulation.
Brüstle reagiert mit Verärgerung und Unverständnis, vor allem, weil die Begründung des verfehlten Urteils enthielt, daß sein Patent "gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten" verstoße. Brüstle werde das Urteil vor dem Bundesverfassungsgericht anfechten...

Und jetzt zur Paradoxie: in diesem Land legt man einer Forschungsrichtung Fesseln an, die das Potential hat, einen enormen Nutzen für alle Menschen zu erbringen, Leid, Krankheit und Tod zu verhindern und die niemandem schadet. Was spricht dagegen, überzählige Embryonen, die bei einer künstlichen Befruchtung übrig bleiben, der Stammzellforschung zur Verfügung zu stellen, statt sie zu "verwerfen" (wie man 'vernichten' beschönigt)?!? Diese Mehrzellstadien einer befruchteten Eizelle haben nichts (!) mit einem Menschen zu tun, geschweige denn ist ihnen eine Würde zuzusprechen. Man kann sie ja nicht mal von vielen Tiergegenstücken unterscheiden oder auch nur ohne Mikroskop sehen. Es geht also nicht um wissenschaftliche Kriterien sondern mal wieder um das arme Herz-Jesulein, denn in der Bibel Vers bla Kapitel sülz steht ja schließlich: "Und so sprach der Herr: Embryonen im Mehrzellstadium sind vollwertige Menschen und haben eine eigene Würde. Man gestatte nicht, sie der Stammzellforschung zu überantworten. Wer es aber tut, der soll mit Knüppeln erschlagen werden. Und es ward großes Frohlocken." Nicht wahr? Es sind sind die religiösen Heulsusen, die trotz ihrer unwissenschaftlichen und nicht objektiven Argumentation offenbar soviel Einfluß ausüben können, daß dies in der Wissenschaftspolitik schmerzhaft bemerkbar wird.
Nicht beachtet oder gar geschützt wird in diesem schönen Land aber eine große Bevölkerungsgruppe, die täglich von einer Minderheit geschädigt und in ihren Grundrechten empflindlich eingeschränkt wird. Man schützt irgendwelche amorphen Zellklumpen mehr, als die Passivraucher, ausgewachsene Menschen mit jeder Menge Würde, die das Laster anderer jedes Jahr mit 3300 (!!) Toten bezahlen müssen. Wo bleiben da die Pfaffen, Ratzepoop und Konsorten, hmm? Was ist mit der Würde der Passivraucher? Und was gar mit den heiligen Embryonen, die durch Passivrauch ja auch geschädigt werden? Das geht dann schon in Ordnung, gelle? Ist was völlig anderes, nicht wahr? Kann man nicht vergleichen, richtig?
Es geht doch in Wirklichkeit gar nicht um die geradezu königlich-würdigen Embryonen, richtig? Es ist die alte Fehde gegen die Wissenschaft, das Wissen, die Aufklärung, die Emanzipation der Menschen und deren Mündigkeit! Mit jedem revolutionären Schritt, den die Wissenschaft tut, wird der mit Zähnen und Klauen verteidigte Himmel der Kleriker kleiner und leerer, der Platz für einen Gott enger, die Rechtfertigungsgesuche drängender. Mit Moral und Ethik hat diese Debatte lange nichts mehr zu tun. Sie ist nur eine weitere schändliche Manifestation der Tradition der Heuchelei, die die Kirche ja seit Jahrhunderten wie niemand sonst perfektioniert hat (z.B. wird man kirchlicherseits nicht müde, im Zuge der Embryonenverwertung auf die "dunkle Vergangenheit des dritten Reiches" zu verweisen, wo sich gerade die Kirchen nicht mit Ruhm bekleckert haben). Und die an der Debatte und den Entscheidungen beteiligten Politiker leiten ihre Moralvorstellungen oftmals aus christilichen Dogmen ab, deren Interpretation sie sich von den obersten Einpeitschern vorschüsseln lassen, wobei sich letztere natürlich nicht entdreisten, eine aktuelle moralische Richtlinie für den Umgang mit Embryonen und Stammzellen ausgerechnet aus der Bibel ableiten zu können behaupten, einem Märchenbuch, zu dessen Verfassungszeit man diese Dinge nicht einmal im Ansatz ahnte.

Fazit: Langsam langweilen mich meine eigenen Fazits, weil es immer wieder darauf hinausläuft, daß wir hier in einer grotesken Bananrepublik sitzen, die mit all ihren absurden Gesetzen, ihrer kafkaesken Bürokratie, ihrer vernagelten Kurzsichtigkeit und Ignoranz und ihrem bigotten Kleinkleinbürgertum einfach unerträglich geworden ist und aus der ich dennoch noch nicht fliehen kann.
Sollte ich eines Tages eine Dankesrede halten, zahle ich es Dir zurück, Deutschland! Ich werde sagen: "Dies alles hätte ich nie ohne meine Eltern geschafft, aber ohne Deutschland dafür 10 Jahre früher!"

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