Montag, September 18, 2006

Read the fucking manual!!!

Die Bibel ist nicht sehr spaßig. Schwülstiges Geschwafel, Stilblüten, grausiger Schreibstil... aber was kann man sonst tun, wenn man sich über die wichtigen Dinge des Lebens und danach informieren möchte? Man steuert die Homepage des Jahrs der Bibel an und kann dort, populär, kindgerecht und fütterfertig aufbereitet den ganzen Kokolores wiederfinden. Am rührendsten sind die im Brustton der Überzeugung vorgetragenen Erkenntnisse über das jüngste Gericht und was nach dem Tod so alles kommt, inklusive Hölle, versteht sich. So heißt es dort:

Wenn ein Mensch stirbt, trennt sich sein Geist von seinem Leib. Was geschieht mit dem Geist? Es ist keineswegs so, dass er dann Gott gegenübersteht und eine Möglichkeit hat, sich zu rechtfertigen. Man wird weder vor Petrus noch vor dem Herrn Jesus stehen und nicht gefragt werden, ob und weshalb man in den Himmel hinein möchte. Nein, man schlägt seine Augen auf und befindet sich in Feuerqualen, denn so hat es Jesus selbst beschrieben, in Lukas 16,23.
Aha. Also all meine kleinen geheimen Vorstellungen, daß ich mit Petrus oder dem J-Man, der an der Himmelspforte auf mich wartet, um meine Zukunft schachern könne, sind somit zerschlagen. Verdammt. Es geht weiter:
Mit dem Tod verliert der Mensch alle Selbstkontrolle, hat keine Macht mehr, er kann sich nicht wehren und ist anderen Mächten ausgeliefert. Deshalb hat man wahrscheinlich solche Angst vor dem Tod.
Entweder deswegen, oder weil man nach dem Tod für den Rest seines Lebens tot ist. Das kann einen auch schon mal beunruhigen, sowas. Die "anderen Mächte" dürften übrigens diese hier
sein.
[...] Die Seele des natürlichen Menschen wird nach dem Tod wie ein gestellter Verbrecher festgenommen und ins Gefängnis geworfen (1. Petrus 3,18). Das ist aber nur ein Übergangsgefängnis zur Aufbewahrung bis zum eigentlichen Gerichtstag (2. Petrus 2,9).
Das stimmt. Bis vor kurzem wurden diese Seelen in Guantanamo gelagert, aber da hat Dabbelju ja jetzt seine "illegalen Kämpfer" und Gott & Co. mußten mit ihrem Prüll woanders hin. Ist hier nicht noch frei?
Egal, kommen wir mal zum Eingemachten, zum Gerichtstag selber, der, wie es aussieht, jedem Juristen, der gedrillt wurde, sich streng an die StPO zu halten, die Tränen in die Augen treiben wird, vor allem, weil es leider keine höhere Instanz gibt, wo man gegen Verfahrensfehler (und Menschenrechtsverletzungen) intervenieren könnte.
Den eigentlichen Gerichtstag finden wir in der Bibel in Offenbarung 20,11-15. Dort findet am Großen Weißen Thron das Gericht statt, von dem uns sowohl unser Gewissen als auch die Bibel Zeugnis geben. Auch dieses Gericht ist kein Untersuchungsgericht, keine Verhandlung, keine Zeugenanhörung. Es sind keine Rechtsanwälte und keine Augenzeugen und keine Schöffen nötig. Gott weiß alles, alle unsere Taten liegen aufgedeckt vor ihm aufgezeichnet in Büchern.

Ist das nicht geil? Es ist ein Gericht, aber es gibt keine Anklage, keine Verteidiung, keine Rechte (außer Schnauze halten), keine Beweise, nur einen pedantischen Chauvi-Richter, der seiner Allmacht wohl doch nicht so ganz traut - er weiß und kann zwar alles, hat aber lieber trotzdem alles noch mal aufgeschrieben, man wird ja nicht jünger, nich' wahr?

Dann wird Gericht gehalten über alle Taten aller Menschen. Diese Taten entspringen ihren Gedanken, Wünschen, ihrem Herzen, ihrem Charakter. Alles ist aufgedeckt vor Gott. Doch nie hat ein Mensch seinen dunklen Charakter so im Griff gehabt, dass er nur gute Taten begangen hat. Gott ist zwar auch der Herzenskenner, und dennoch braucht er nur entsprechend der Taten zu richten (Offb 20,13).
Aha. Unschuld von vorneherein ausgeschlossen, weil das verdorbene Mensch sowieso ein Sünder ist. Das weiß der Richter natürlich aber gem. StPO, die es offenbar wohl doch gibt, "braucht" (sic!) er sich nicht daran zu halten. Da drängt sich einem doch die Frage auf, wer denn bei den Jungs da zu sagen hat, naja, ist aber nicht so wichtig, denn

Deine Taten erzählen deine Geschichte: die Geschichte deiner Gedanken, deiner Herzenswünsche, deiner Lebensziele, wofür du gelebt hat, die Geschichte deiner Liebe oder deines Egoismus, deines Hasses, deines Stolzes und deiner Lust. Sind deine Taten kostbares Gold, das dem Gericht des heiligen, gerechten Gottes standhalten wird? Jeder Mensch wird, wie die Bibel sagt, "entsprechend seiner Taten" gerichtet - das heißt auch entsprechend der Taten, die er hätte tun sollen und nicht getan hat. Das ist genug, um jeden Menschen gerecht verurteilen zu können. Wer wird bestehen können, wenn er mit allen seinen Taten vor einem heiligen Gott steht, der Sünde nicht tolerieren wird? Jeder wird das bekommen, was er verdient.
Und wieder: ein Freispruch ist a priori nicht vorgesehen, es ist immer genug zusammengekommen, um jeden "verurteilen" zu können. Ich stelle mir gerade vor, wie z.B. ein 5-jähriger, der bei einem Unfall starb, vom 'Richter' gefragt wird: "Soso Kevin, und was war bitte, damals '86 als Du auf dem Kindergeburtstag von Melvin-Kelvin Horstmannskötter noch einen Negerkuß gegessen hast, obwohl Du schon satt warst?!?! Hmmmm?" Dann zu den Dämonen in Gerichtsdieneruniform: "Schafft mit dieses Monstrum aus den Augen! Hölle für immer wegen Todsünde (§ 666 Unmäßigkeit)!"

Der Richter bei diesem Gericht ist Jesus Christus - ihm ist das ganze Gericht übergeben (Johannes 5,22). Wenn er Gericht hält, wird vor der ganzen Schöpfung sein göttlicher Charakter verkündet werden, zu seiner Ehre: seine Heiligkeit, seine Gerechtigkeit, seine Macht und sein Zorn. Und seine Ehre wird von jedem einzelnen Menschen bestätigt werden: Zwar hat niemand die Möglichkeit, etwas zu seiner Entschuldigung vorzubringen, aber dennoch wird jeder Mensch drei Worte sagen: seine Knie werden sich beugen - freiwillig oder unfreiwillig - und seine Lippen werden sich öffnen und er wird sagen: "Jesus ist Herr!" So steht's geschrieben in Philipper 2,11.
Ein Knaller jagt den nächsten! Besonders apart finde ich diese lapidaren "Zwar hat niemand die Möglichkeit, etwas zu seiner Entschuldigung vorzubringen..."-Sätze. Hey, wieso sollten die Jungs auch besser sein, als die Schauprozesse im MA oder der UdSSR? Naja, wenn man schon keinen Anwalt oder die Möglichkeit der Verteidigung hat, muß man wenigstens auf den Knien rumrutschen und grammatikalisch falsch daherreden - ist auch was wert, das seh' ich ein.

Aber auch die Liebe und Gnade Gottes werden bei diesem Gericht deutlich - denn viele Menschen rettet und verschont er vor diesem Gericht, nämlich diejenigen, die an Jesus Christus glauben, den Sohn Gottes und den Retter der Welt. Für sie hat Jesus Christus das Gericht über die Sünden - das die anderen nun in der Hölle erleiden werden - stellvertretend getragen: Aus Liebe zu seinen Feinden gab Gott seinen Sohn als Versöhnungsopfer (Römer 5,8), damit die, die an ihn glauben, vor dem ewigen Gericht gerettet werden. "Denn der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, um bedient zu werden, sondern um zu dienen und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele" (Markus 10,45).

Ok, jetzt wird's verworren, bizarr und esoterisch. Also der Richter selbst, der J-Man, hat schon die Strafe, die alle die, die nicht an ihn glauben (bzw. gesündigt haben, was ja laut obigem 'eh alle sind), erwartet, schon mal "ausprobiert" und für...ja was? befunden... jedenfalls müssen die, die an ihn glauben, selber nicht ran, also ans Leiden jetzt. Was ich nicht ganz verstehe: Müßte den 1.) jetzt einer, der nie gesündigt hat, aber auch nicht an den J-Man glaubt, in die Hölle? Und wenn 2.) man an ihn glaubt, kann man dann so viel sündigen, wie es Spaß macht? Wenn 1.) zutrifft, bräuchte der Richter ja seine schlauen Bücher nicht, worin akribisch alle kleinen Sünden aufgelistet werden (spart auch teure Arbeitskräfte und Papier), sondern nur einen Zettel pro Kopf, wo ggf. der "glaubt nicht an J-Man"-Stempel draufgehauen wird und der dann ausreicht, um denjenigen stante pede in den warmen Keller zu kicken. Trifft aber 2.) zu, kann man sich auch die Bücher sparen, denn bei dem Gericht gibt es ja wohl keine abgestuften Urteile so àla: "Der Typ hier glaubt zwar an Big J., hat aber mal heimlich Frau Nolte von gegenüber gepimpert, als seine Frau mit Bello beim Hundefriseur war. Dafür muß er im Himmelschor hinten stehen und seine Harfe darf er nur in fis-Moll spielen, das Arschloch hähähä!!!" Das wäre zwar witzig, aber gehört hat man davon nicht, also ist es egal, wieviel man gesündigt hat, Hauptsache, man glaubt an den J-Man: "Ach Mensch, Fritz, alter Menschenfresser...kommst Du auch vorbei?! Tja, ich sehe hier, Du glaubst an das große J., sieht also gut für Dich aus. Hier ist ein Zahnstocher, Du hast da noch etwas Kind zwischen den Zähnen. Wenn Du fertig bist bitte dritte Tür links, der Aufzug nach oben."

Danach kommt ein längerer Sermon über die Hölle und die unterschiedlichen Berichte darüber. Knapp zusammen gefaßt kann man sagen: schön isses nich! Kühl auch nicht! Und wahrscheinlich gibt es trotz des "Weinens und Zähneknirschens" weder Tempos noch Gebißschutz, so daß man da eher nicht hinwollen würde. Dann kommt ein resignatives: "Wir sehen also, man sollte die Hölle ernstnehmen und fürchten" gefolgt vom unvermeidlich-missionarischen "Laß Dich retten!"-Absatz. Gerettet werden ist natürlich einfach zu haben, denn
Gott bietet diese Rettung ohne Gegenleistung an - aus reiner Gnade.
Ich schätze, deshalb heißt es auch "lieber" Gott und nicht Wucherer-Gott oder Not-Ausnutzer-Gott, richtig? Dachte ich doch.
Wer an den Herrn Jesus glaubt - an den Jesus, der das Gericht Gottes gepredigt und das Gericht Gottes erlitten hat -, hat ewiges Leben, ohne es verdient zu haben.
Selbstverständlich ohne es verdient zu haben. Das Mensch ist unwürdig und klein und dumm und sündig und eigentlich würde man es als Fehlkonstruktion bezeichnen, wenn es nicht ein mißglücktes Schulprojekt von...naja...IHM halt und er nicht so schrecklich pingelig mit Kritik wäre.
Fest steht jedoch:
Niemand ist von Natur aus gläubig und errettet, sondern wer vor der Hölle errettet werden will, muss gläubig werden und dadurch neues, ewiges Leben bekommen, durch eine neue Geburt (Johannes 3,3.5). Dann wird er über seine Sünden Reue und Buße empfinden und ein Leben zur Ehre Gottes beginnen.
Aaahh ja! Ich stelle mir das gerade vor, wie man sich dann, nach der Wiedergeburt (wie auch immer das genau funktioniert), bei der Beichte irgendwelche Sünden aus den Fingern saugt, weil man ja auf jeden Fall welche begangen haben muß, auch wenn man's gar nicht hat. Ganz witzig! Die Pfaffen können einem leid tun, denn die Phantasielosen nerven sie dann stundenlang mit dem öden: "Ich habe gesündigt! Neulich spülte ich im Büro nicht meine Tasse aus, sondern ließ sie stehen, so daß ein anderer für meine Sünde am Kreuz sterben...äh ich meine, meine Tasse spülen mußte!" wohingegen die Phantasievollen, angesichts der sicheren Vergebung, in die vollen gehen und etwas erfinden: "Vergib mir, denn ich habe Menschen gegessen. Mit Barbeque-Sauce und ich fand's geil!" Dennoch, das alles ist sehr theoretisch und dem kindlich-bildlich arbeitenden und damit mit der Masse der Angesprochenenassoziierten Verstand nicht intuitiv zugänglich. Welch' Glück, daß die Jahr-der-Bibel-Jungs Meister der hintergründig-subtilen Analogien und Parabeln sind:
Wenn du wählen könntest zwischen 1 Jahr Urlaub auf Hawaii und 1 Jahr Strafarbeitslager in Sibirien, wofür würdest du dich entscheiden? Das ist nicht schwer. Aber nun stell dir vor: du bist auf einem Flughafen und zwei Flüge gehen: einer nach Hawaii, der andere ins Arbeitslager nach Sibirien. Das Flugzeug nach Hawaii ist eine alte Propellermaschine, zuverlässig, aber unbequem und demütigend. Das Flugzeug nach Sibirien ist ein Jumbo-Jet der Swissair, mit netten Stewardessen und allem erdenklichen Komfort. An der Anzeigetafel im Flughafen ist klar ausgeschrieben, wohin welches Flugzeug fliegt. Doch die Leute beachten die Tafel gar nicht und steigen blindlings in das verlockend einladende Luxusflugzeug. Mit dem Strom der Masse gehen die Leute einfach unüberlegt mit, sie folgen ihrem Instinkt und natürlichem Trieb. Einige Flughafenangestellte stehen am Rand und rufen den Leuten zu, dass sie aus der Schlange herauskommen und in das andere Flugzeug einsteigen sollen. (Manche versuchen sie zu überreden, indem sie sagen, nur in dem Propellerflugzeug hätte man einen wirklich angenehmen Flug und dort gebe es auch das bessere Essen.) Einige wenige lassen sich überzeugen und erkennen, dass sie auf dem falschen Weg sind.
Sapperlot noch eins! Diese gerissenen kleinen Teufelchen! Wer jetzt nicht überzeugt ist, dem ist nicht mehr zu helfen bzw. läßt sich vielleicht hiervon bekehren:
Vielleicht findest du es anstößig und bist beleidigt, wenn man dir sagt, dass du auf dem Weg in die Hölle bist.
Ach iwo! Das war mir schon immer klar! Schließlich sind alle coolen Leute da und wie es dort wirklich ist, ist ja auch bekannt. Trotzdem finde ich wieder diese Lapidarheit im Ausdruck einfach geil. Die sind sich echt 100% sicher, daß jeder auf direktem Weg in den fiesen Keller ist (sie natürlich nicht, sie haben einen exclusiven Beratervertrag mit...naja, IHM, halt). Um es noch mal parabolisch zu sagen:
Aber stell dir vor, du hast einen Freund, der ist Automechaniker. Er ist so freundlich und prüft kostenlos dein Auto, ob alles in Ordnung ist. Doch stellt er fest, dass die Bremsen kaputt sind und du bei der nächsten Autobahnfahrt schwer verunglücken wirst, wenn du plötzlich bremsen musst. Er sagt dir, dass es ihm leid tut, aber dass du unbedingt in die Werkstatt musst. Wirst du beleidigt sein oder dankbar? Meinst du dein Freund will dich ärgern und will nur, dass du unnötiges Geld in der Werkstatt ausgibst? Nein, er ist um dein Leben besorgt.
Na? Du verstähe? Nix verstähe? Zu kompliziert? Ok, noch mal für die Bibelleser (also die, die nicht zum Freund gesagt hätten: cool! Kannst Du es reparieren? Ich rase gerne und habe vorehelichen Sex und wenn die Bremsen wieder im Arsch sind, komme ich wieder) zum Mitschreiben:
Wir wollen deine Freunde sein und dir in Liebe ausdrücklich sagen, was mit einem Sünder nach dem Tod geschieht, dass dich deine Sünden in die Hölle bringen werden.
Und dafür muß man sich den Rest seines einzigen Lebens bloß wie ein Idiot aufführen, normalen Menschen und Andersgläubigen auf den Sack gehen, alles was Spaß macht, meiden, alles was keinen Spaß macht, statdessen tun, nicht denken, dafür parieren, nicht kritisch sein, sondern ein "Ja und Amen" zu allem sagen, nicht zweifeln, sondern dem Onkel mit dem lustigen Hut einfach alles glauben, nicht nachfragen, sondern den faden Keks essen und es nicht schlimm oder seltsam finden, daß man angeblich gerade Jesus verspeist. Eben das Gehirn durch eine Socke voll Popcorn austauschen und aus seinem Wortschatz "aber" durch "jawoll" ersetzen.

Ich frage mich immer, ob die Jungs, die einen dazu bringen, sich dann nachher in der Pinte treffen, billige Weiber aufreißen und sich im Suff halb krank über die armen Irren lachen, die sie heute wieder geleimt haben... ist ziemlich wahrscheinlich, oder?

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