Anmerkung: der folgende ist einer meiner älteren Texte, der aber nichts an Aktualität und Bedeutung eingebüßt hat und daher gut geeignet ist, eine Traktatserie über Musik einzuleiten, über deren Regelmäßigkeit und Erscheinungstermine mir natürlich leider nichts bekannt ist!
Was brachte das Nachdenken des Tages? Gedanken über Musik. Über Musik sprechen. Viele können das nicht. Das ist so, weil sich viele gar nicht mit Musik auseinandersetzen und nichts darüber zu sagen vermögen. Zahlreiche Dialoge, die ich mit Menschen führe, beginnen so: „Was hörst Du für Musik?“ „Ich hör’ alles!“ Diese Antwort ist so falsch und fad, wie sie unreflektiert und aus einer profunden Gleichgültigkeit gegenüber der Musik, der wahren Musik, der, die auch Kunst ist, geboren ist. Niemand hört alles, das ist unmöglich. Wenn man mir sagt, man höre alles, so bedeutet das, daß diese Person alles hört, was das Radio, diese Geißel unter den Medien, dem wehrlosen Hörer aufoktroyiert. Und das wiederum ist gleichbedeutend mit „Musik“ aus den Charts: schlichter, unaufregender, zahmer, gefälliger, stumpfer, uninspirierter und vor allem massenkompatibler Popmusik (bis auf extrem wenige Ausnahmen). Die Person will mir also sagen, sie höre alle Arten von Popmusik, unterschlagend, daß es nur eine Art gibt. Jedesmal frage ich eine solche Person dann, wie sie denn z.B. Death Metal finde oder Bach. Naja, heißt es dann, so etwas höre sie denn doch nicht. „Und wie steht es mit Opern, Doom oder Madrigalen?“ frage ich dann weiter. „Nee, das auch nicht!“ bekomme ich stets zur Antwort. Dieses Wechselspiel setzt sich fort, bis die Person einsieht, daß sie mitnichten alles hört, sondern fast nichts.
Wie kann das sein? Auch die Klärung der Frage nach dem Stellenwert der Musik in den Leben meiner Gesprächspartner gestaltet sich tückenreich. Zunächst heißt es, daß also ja nun die Musik sehr wichtig sei und es ohne gar nicht ginge. Bald aber stellt sich dann heraus, daß diese sogenannte Musik nur als Berieselung bei möglichst banalen Tätigkeiten (zu denen ich auch das Auf- und Niederhüpfen in einem Tanzlokal bzw. Diskothek rechne) zur Geltung kommt, kaum jemand aber auf die Idee käme, sich hinzusetzen und eine CD von Anfang bis Ende der Musik wegen zu hören. Das ist schade. Da ist die Beobachtung, daß sich das Angebot dessen, was viele heutezutage Musik zu nennen den Humor haben, leidlich mit der Erwartungshaltung des Großteils der Konsumenten deckt, geradezu trivial. Man will keine Musik, man verlangt rhythmisiertes und hochgradig artifizielles Computergetöse und hegt ja nachgerade Mißtrauen gegen richtige Instrumente. Das Wort Musik ist vielen nur noch eine Worthülse aus Konvention und Bequemlichkeit, bezeichnet aber keineswegs dieses Zeugs, dem solche Personen zuhören. Ich stelle mir dann immer vor, daß ich, wenn ich sechzig bin, neben einem Knaben mit seinem Vater im Museum vor einer Gitarre oder einem Klavier stehe und der Bub fragt, was das sei. Der Vater überlegt, schlägt im Prospekt nach und belehrt den Jungen. Dieser ist dann ganz erstaunt, daß man darauf Musik machen kann.
Es ist einfach so, daß ich es obszön finde, das gleiche Wort – Musik – für bspw. einen Nocturne von Chopin aber auch dieses jämmerliche Geschrammel aus den Tanzpalästen zu verwenden. Statt darüber zu beratschlagen, mit welchem neuen Wort man den Zustand „nicht mehr durstig“ bezeichnen könnte, sollten die Duden-Honks lieber darüber nachdenken, wie man die Musik vor dem In-einen-Topf-mit-Geräuschabfall-geworfen-Werden bewahren kann. Das wäre doch mal was.
1 Kommentar:
Danke, das musste mal gesagt werden.
Wobei mir natürlich die Wortkette Schlecht-Rythmisiertes-Unterhaltungsgeräusch-übelster Machart-und-wiederlichster-Sorte gefehlt hat. ;)
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