Donnerstag, November 13, 2008

Bahn? Brechen!

habe ich hier etwa schon jemals was schlechtes über die Bahn gesagt? Bestimmt nicht, oder? Wie könnte ich auch, angesichts der durchweg positiven Dinge, die man ständig über die Bahn hört, wie die grandios sicheren ICEs, die faschistoiden Schaffner, die Minderjährige auf einsamen Bahnhöfen aussetzen, die Türen von Nahverkehrszügen als Todesfallen, und daß für all die Pracht seines unermüdlichen Wirkens sich natürlich uns Mehdorn auch einen kleinen Klecks mehr Kohle verdient hat (coole 20%), die, natürlich, dankbar wir bezahlen. Aber Mehdörnchen hat sich sicherlich auch noch ein kleines Zubrot vom mal wieder in die Hose gegangenen Börsengang erwartet, sein Kumpel Tiefensee wußte schließlich auch davon.
Das ist einfach gut. Wenn man Bahn fährt, hat man einfach den Eindruck, von einem durch und durch professionellen Unternehmen befördert zu werden, das sein reichlich erwirtschaftetes Geld in Ausbau und Schulung statt überbezahlte, unfähige Manager steckt. So ein Unternehmen gehört wirklich endlich an die Börse und privatisiert. Die ganze staatliche Kontrolle bremst so einen Weltkonzern schließlich nur aus. Was heute morgen wieder passiert ist, illustriert die Bahnphilosophie sehr schön: ich meine, es hat einfach Stil, zeugt von zen-artigem In-sich-Ruhen und ist ein unternehmenskultureller Kontrapunkt zum ewigen Hetzen, Rennen, Eilen des industrialisierten Alltags, wenn ein vollbesetzter Zug voller zahlender Arbeitssklaven einfach mal mitten auf'm Feld anhält und 15 geschlagene Minuten stehen bleibt. Eine Meditation, ein Mahnmal gegen den Zeitgeist. Natürlich ist kein Bahnmitarbeiter so taktlos, in die schwangere Stille in den Wagons eine Begründung oder Erklärung durch die kleinen Lautsprecher zu quäken, der Kunde soll ruhen, schweigen, sein. Das ist Zen! (gibt es auch in der Variante: Kunde steht 25 Minuten auf einem eisigen Bahnhof im Regen - da ist dann der Fokus mehr auf die Schulung von Langmut und auch körperlicher Duldung gerichtet).
Man sollte einfach davon Abstand nehmen, die Deutsche Bahn als Beförderungs- oder Verkehrsmittel zu sehen. Sie ist vielmehr eine Instanz der Prüfung (auch für Atheisten wie mich), eine Schule der Demut, eine Illustration der eigenen Unbedeutsamkeit und Machtlosigkeit, eine Gleichmacherin der Klassen (auch die erste Klasse fährt nicht, wenn die Bahn nicht fährt) und Schichten, ja eins dieser seltenen Phänomene, die die Menschen zusammenbringt, sie ihre Differenzen für einen Moment vergessen läßt und sie in Zorn und Haß einig macht. Ich möchte schließen mit Schiller:

DB, schöner Götterfunken,
Du bist ein Martyrium,
Wir betreten zornestrunken
Durch Bahnhofstür'n Dein Heiligtum
Deine Spätheit bindet wieder,
Was die Mode streng geteilt,
Alle Menschen werden Brüder,
Wenn Dein Zug im Feld verweilt.

1 Kommentar:

Unknown hat gesagt…

herrlich formuliert. Diese Ironie hat echtes Format. Kompliment Herr Doktor.